Wenn Sammeln zur Sucht wird: Das Messie Syndrom

Fast jeder Mensch sammelt etwas. Wir alle haben unsere Leidenschaften, seien es nun glitzernde Sticker, Postkarten, alte Bravo-Heftchen oder Münzen.

Im Grunde sind wir also alle Sammler. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es aber dazu kommen, dass man es damit etwas übertreibt. Nimmt der Sammeltrieb überhand, weil man sich schließlich von kaum einem Gegenstand mehr trennen möchte, so könnte der Sammeltrieb bereits krankhafte Züge angenommen haben.

Menschen, die so gut wie alles sammeln und nichts wegwerfen möchten, nennt man auch Messies. Das kommt vom englischen Wort „mess“, was so viel wie Unordnung bedeutet. Und genau das beschreibt die Messies sehr treffend. Denn eine Messie-Wohnung ist selten ordentlich. Manchmal kann man nicht einmal eine Türe öffnen, weil sich die Zeitungsstapel dahinter türmen. Wenn man auf die andere Seite eines Raumes gelangen möchte, muss man über die verschiedensten Kartons turnen.

Du siehst: Wenn man Angehörige mit einem Messie Syndrom hat, dann leidet man mit. Denn es ist quasi unmöglich, die Unordnung des Messies auszugleichen. Immer wieder schleppt er Dinge an, die er für notwendig und wichtig haltet. Dass dieser Kram nur herum liegt und ein angenehmes Wohnen unmöglich macht, das sehen diese Menschen nicht.

Speziell Kinder, die mit Messies zusammen leben, haben es nicht leicht. Sie laufen Gefahr, später selbst einen krankhaften Sammeltrieb zu entwickeln.

Wie wird man zum Messie?

Meistens steht das Messie Syndrom in engem Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depressionen. Die Krankheit, welche man auch Vermüllungssyndrom nennt, betrifft schätzungsweise 300 000 Menschen alleine in Deutschland. In Österreich sieht die Sache ähnlich aus.

Risikogruppen

Wenn man eine gewisse Sammel-Leidenschaft entwickelt hat, die über das normale Sammeln hinausgewachsen ist, dann kann sich unter bestimmten Umständen ein Messie Syndrom daraus entwickeln. Meistens kommen zum bereits bestehenden Sammelzwang noch weitere Belastungen oder akuter Stress hinzu. Dann versucht man, einen Verlust oder die eigenen Ängste mit dem Sammeln zu kompensieren.

Kompensieren bedeutet, dass man versucht, etwas auszugleichen. Übrigens haben viele Messies eine lange, schwierige Geschichte hinter sich. Manche haben in ihrer Jugend sehr gelitten und sind unter schwierigen Umständen aufgewachsen. Deshalb haben sie große Angst davor, etwas zu verlieren und können sich von keinem Gegenstand mehr trennen.

Spleen oder Krankheit?

Nicht jeder, der eine große Sammlung bestimmter Gegenstände Zuhause herum stehen hat ist automatisch ein Messie. Damit man von einer Krankheit sprechen kann, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein.

  • Der Sammelwahn gilt dann als krankhaft, wenn folgendes zutrifft

  • Man bekommt das eigene Verhalten von alleine nicht mehr in den Griff.

  • Der Zustand der Vermüllung und des Sammelwahns besteht schon seit längerem. Außerdem hat sich seit langer Zeit keine Besserung eingestellt.

  • Gut gemeinte Tipps sowie Selbsthilfe-Bücher und ähnliche Erste-Hilfe-Maßnahmen bei psychischen Problemen helfen nicht mehr weiter. Man hat trotz allem das Gefühl, weiter sammeln zu müssen.

Es kann durchaus sein, dass jemand einfach gerne Dinge sammelt, ohne am Messie-Syndrom erkrankt zu sein. Sobald er und sein unmittelbares Umfeld aber beginnen, darunter zu leiden, wird die Angewohnheit untragbar. Ändert sich trotz Hilfe von Außen nichts am Zustand der Wohnung, dann könnte tatsächlich ein Messie Syndrom vorliegen.

Ganz sicher gehen kann man aber nur, wenn man ein psychiatrisches Gutachten darüber eingeholt hat. Auch das Gespräch mit einem Psychotherapeuten kann Auskunft darüber geben, ob bereits krankhafte Züge vorliegen oder nicht.

Arten von Messie Syndromen

Der Verlauf des Messie Syndroms ist nicht immer gleich. Je nachdem, welche persönlichen Voraussetzungen, tragischen Erlebnisse und sozialen Umstände der Betroffene mitbringt, kann die Krankheit ganz unterschiedlich schwer ausfallen.

Viele Messies leben alleine in ihrer Wohnung. Ihr Chaos wird lange Zeit nicht bemerkt. So verschlimmert sich die Krankheit, bis sie endlich Hilfe bekommen.

Häufig vertreten: mittelschweres Messie Syndrom

Meistens kommt es nicht so weit, dass die Messies in einer vermüllten Wohnung leben. Trotzdem sammeln sie sehr viel und leben in einem mehr oder weniger schweren Chaos.

Auch, wenn sich dieses Chaos bei den meisten Fällen im Außen nicht so dramatisch zeigt: innerlich sind alle Messies sehr durcheinander. Sie haben das Gefühl, nicht in Ordnung zu sein. Deshalb ziehen sie sich aus dem sozialen Leben zurück. Sobald das passiert, leiden auch ihre Angehörigen unter den Auswirkungen der Krankheit. Sie bekommen den Betroffenen nicht mehr richtig zu fassen und verlieren den Kontakt zu ihm oder ihr. Mit gut gemeinten Ratschlägen beißt man dann auf Granit oder wird sogar in eine Streiterei verwickelt. Wenn es so weit gekommen ist, dann muss professionelle Hilfe her. Denn bleibt die Krankheit unbehandelt, so wird es mit der Zeit immer schlimmer. Die wenigsten Messies finden selbst aus ihrem inneren und äußeren Chaos heraus und schaffen es, wieder ein halbwegs normales Leben zu führen.

Weil das äußere Chaos stetig zunimmt, belastet es die Messies stark. Sie verlieren noch mehr die Kontrolle über ihre Umwelt und die Krankheit wird immer schlimmer.

Totale Vermüllung

In ganz seltenen Fällen kommt es dazu, dass man die Wohnung nicht einmal mehr betreten kann. Im Fernsehen sieht man meistens genau diese Einzelfälle. Tatsächlich erreichen die meisten Messies dieses Stadium nie. Man geht davon aus, dass in etwa 5 % aller Messies zu einem „Vermüllungsfall“ werden.

Hilfe für Messies

Weil das Messie Syndrom eine psychische Erkrankung als Ursache hat, gibt es auch entsprechende Therapiemöglichkeiten.

Maßnahmen von außen

Wenn ein Messie dazu gezwungen wird, sein Leben zu ändern, dann reagiert er mit Angst und Abwehr. Es bringt also wenig, den Messie mit einem Aufräumkommando überraschen zu wollen.

Die Abwehr ist durchaus verständlich, weil der Messie die Situation als sehr bedrohlich empfindet und es mit der Angst zu tun bekommt, wenn man in sein Territorium eingreift. Er kann den Gedanken kaum ertragen, dass man seine Sachen wegwerfen wird.

Deshalb sind radikale Maßnahmen von außen nicht empfehlenswert. Kennst du einen Messie und möchtest ihm helfen? Dann führe erst einmal ein Gespräch mit ihm. Denn er oder sie muss selbst dazu bereit sein, das eigene Leben wieder in den Griff zu bekommen. Nur dann wird sich an seiner Situation etwas verändern können.

Der Messie muss von sich aus den Wunsch entwickeln, die Ordnung wieder herzustellen. Dazu sollte ihm klar werden, dass seine Lebensumstände nicht der Normalität entsprechen. Versuche, ihm das vor Augen zu führen.

Mache ihm auch klar, dass er es nicht alleine schaffen muss. Informiere ihn über seine Möglichkeiten und biete an, ihm beim Finden eines geeigneten Therapeuten zu helfen. Wenn du selbst noch recht jung bist oder dich damit überfordert fühlst, dann bitte einen Erwachsenen um Hilfe, der in einem guten Verhältnis zum Messie steht, dem du helfen möchtest.

Auf dem Weg in die Normalität durch Psychotherapie

Sobald der Wunsch entstanden ist, etwas gegen die eigene Krankheit zu tun, haben Messies prinzipiell gute Heilungsschancen. Sie sollten sich eine Psychotherapie verschreiben lassen und sich auf die Suche nach einem Therapeuten machen, dem sie sich anvertrauen können. Jeder Psychotherapeut hat sich auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert. Auf diesem Gebiet arbeitet er, verwendet entsprechende Methoden und versucht, seinem Patienten zu helfen. Die folgenden Therapiemethoden können Menschen mit Messie Syndrom wieder zur Normalität verhelfen:

  • Systemische Therapie

  • Gestalttherapie

  • Verhaltenstherapie

Normalerweise bekommt man von der Krankenkasse eine Liste mit Therapeuten, auf der auch das Spezialgebiet mit drauf steht. Sollte der Betroffene nicht wissen, was ihn bei der jeweiligen Therapiemethode erwartet, dann könnt ihr ganz einfach beim Therapeuten nachfragen und euch erklären lassen, wie er genau vorgeht.

Wundert euch bitte nicht darüber, dass es in der Therapie in erster Linie nicht darum geht, das Chaos in der Wohnung zu beseitigen. Der Therapeut wird sich eher um die zugrundeliegenden Probleme kümmern, die man aus dem Weg schaffen muss. Sind diese nämlich nicht abgeklärt, hilft auch das Aufräumen nichts. Natürlich kannst du den Messie unterstützen, wenn er dennoch stark genug ist, seine Wohnung langsam zu entmüllen.

Mithilfe der Therapie wird er oder sie nach und nach so sehr gestärkt, dass eine neuerliche Ansammlung von Gegenständen in der Wohnung nicht mehr so leicht passieren kann.

Unterstützende Maßnahmen

In den meisten Orten gibt es leider keine Selbsthilfegruppen für Messies. Trotzdem kann man sich online in speziellen Foren darüber austauschen. Der Kontakt zu anderen Messies hilft dabei, sich selbst ein wenig besser zu verstehen und sich nicht ständig schuldig zu fühlen.

Wenn er oder sie möchte, könnt ihr einige Bücher zum Thema Messie kaufen. Das bringt aber nur etwas, wenn das Buch auch wirklich gelesen wird und nicht irgendwann in einem Stapel alter Zeitungen verschwindet. Die folgenden Bücher sind für Messies empfehlenswert:

  • Endlich weg mit dem Ballast“ von S. Felton

  • Das Vermüllungssyndrom“ von P. Dettmering und R. Pastenaci

  • Das Messie-Handbuch“ von E. Roth

Arbeitsblatt zum Text

1) Erkläre die schwierigen Wörter aus dem Text.

Was bedeutet…

  • Messie

  • Kompensieren

2) Was kannst du tun, wenn jemand in deinem Umfeld Anzeichen eines Messie Syndroms aufweist?

3) Wie kann es dazu kommen, dass man einen krankhaften Sammelwahn entwickelt? Was führt dazu?

Foto: vook / bigstockphoto.com

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